Predigt von Volker Bohle
Aus organisatorischen Gründen können wir Ihnen dieses Mal leider nur die Predigt und keine vollständige Andacht zur Verfügung stellen. Wir bitten um Ihr Verständnis.
Apg.1, 1 – 8
Liebe Gemeinde,
In den darauffolgenden drei Tagen wollen wir uns in bei den Ökumenischen Bibeltagen mit der Apostelgeschichte beschäftigen – "Kirche träumen". Wir gehen zurück in eine Zeit, in der es keine Unterscheidungen in katholisch, evangelisch und orthodox gab, als der die Gemeinden Teil der jüdischen Glaubensvielfalt waren. Wir wollen uns heute Morgen, in diesem Gottesdienst, mit einem Text aus der Apostelgeschichte beschäftigen, der eine Schlüsselstelle im Leben für die ersten Christen und Nachfolger Jesu, aber auch den Anfang und die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde Jesu Christi beschreibt. Wie Gemeinde Jesu lernen kann, das Wesentliche im Blick zu behalten, offen wird in Veränderungsprozessen und lernen kann, dass und wie sie nicht nur ‚Organisation‘ ist, sondern lebendige, bewegte und begeisterte Gemeinde sein und bleiben kann.
Am vergangenen Mittwoch habe ich einen Geburtstagsbesuch gemacht. Eine unserer Bethel-Diakonissen wurde 79 Jahre alt. Ein Alter, indem man wirklich schon beurteilen kann, wie manche Erfahrungen im Leben und auch im Glauben zu deuten sind. Interessant war, dass wir an einen Punkt gekommen sind, an dem wir festgestellt haben, dass wir heute manche Erlebnisse mit Christus anders deuten und sogar manche Fragen des Glaubens anders beantworten würden als noch vor 20 oder 30 Jahren. Zum Beispiel, dass Glaube Prozesse erlaubt oder der Umgang mit Kritik untereinander und in der Gemeinde oder auch wie Leid im Leben von Christen zu deuten ist.
Ja, es ändern sich nicht nur Zeiten, Menschen und Gegebenheiten, sondern auch Antworten. Die gleiche Frage kann zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich beantwortet werden! Es kann ein „Vorher“ und „Nachher“ geben, und dazwischen liegen manchmal einschneidende Ereignisse oder Erfahrungen, die wegweisend sein können.
Ein biblischer Text, der eine so grundlegende Veränderung beschreibt, ist
Apostelgeschichte 1, 1-8
1 Den ersten Bericht habe ich gegeben, lieber Theophilus, von all dem, was Jesus von Anfang an tat und lehrte 2 bis zu dem Tag, an dem er aufgenommen wurde, nachdem er den Aposteln, die er erwählt hatte, durch den Heiligen Geist Weisung gegeben hatte. 3 Ihnen zeigte er sich nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. 4 Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt; 5 denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem Heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. 6 Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? 7 Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; 8 aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Im Buch der Apostelgeschichte wendet sich der Mediziner Lukas, als passionierter Archivar und Verfasser wichtiger Dokumente, an eine Person mit Namen Theophilus. Theophilus = Freund Gottes! Nun, wer heute Morgen hier im Gottesdienst ist, oder regelmäßig kommt, den kann man durchaus als Freund Gottes bezeichnen!
Es handelt sich hier um eine Schlüsselszene im Neuen Testament, in der beschrieben wird, dass sich etwas Wesentliches in der Geschichte Gottes mit den Menschen getan hat und sich ändern wird.
- Etwas Altes geht zu Ende/ein Abschluss wird beschrieben/Neues steht an
- Was vorher war, wird so nicht mehr
- Es gibt einschneidende Veränderungen
- Die Rahmenbedingungen ändern sich
- Der Horizont ist geöffnet
Das kennen wir ja aus unserem Leben. Praktisches Beispiel:
- Wir als Gemeinde, z.B. Berufung von Mitarbeitern (Gemeindeleitung, Gruppen o.ä.)
- Berufliche Veränderungen, Gründung einer Familie, Kinder oder wenn
- Leben als Senioren, Handicaps, Umstellen und einstellen
- Volontäre
- Altes geht zu Ende/Abschluss/Neues steht an
- Was vorher war, wird so nicht mehr sein
- Einschneidende Veränderungen
- Rahmenbedingungen ändern sich
- In gewisser Weise gibt es „offene Situationen“
Ich weiß nicht, ob wir das als Positiv oder Negativ einschätzen. Es gibt keine Situation, in der wir ohne unser Vergangenheit gehen würden. Wir nehmen uns und unsere Erfahrungen immer mit in die neue Situation. Aber was (?) nehmen wir mit: an Erfahrungen, bestimmten Augenblicken, Begegnungen, Menschen und Beziehungen. Ist das positiv oder negativ? Was hat mich geprägt und was ist immer noch bedeutsam für mich? Welche Werte und Maßstäbe begleiten mich, über den Augenblick hinaus? Was kann ich wirklich mitnehmen, auch wenn ich loslassen muss? Es ist eine gute Frage, was muss und sollte ich zurücklassen und was muss oder sollte ich mitnehmen in die nächste Lebensphase. Der Text gibt uns dafür einen guten Impuls:
Der Blick aufs Wesentliche (1-3)
Text beschreibt eine Schlüsselszene in der Geschichte Jesu mit seiner Gemeinde. Der Arzt Lukas dokumentiert, aber er archiviert nicht die Geschichte Jesu. Das Lukasevangelium beschreibt die einzigartige Geschichte Jesu Christi, sein Leben, sein Leiden und Sterben und seine Auferstehung ... „dass er sich noch gezeigt hat, als der Lebendige durch viele Beweise“.
Wenn sich etwas verändert im Leben: was können und sollten wir zurücklassen, und was nehmen wir mit in den nächsten Abschnitt unseres Lebens? Lukas reflektiert die Geschichte Jesu – wie er gelebt hat, was er getan hat, was er getan und bewirkt hat im Leben von Menschen, und vermittelt das seinen Lesern.
Und das könnten ja auch meine Kriterien sein: Wie ist die Geschichte Jesu in meinem Leben? Wie habe ich mit ihm gelebt? Was hat er für mich getan? Was hat er bewirkt in meinem Leben? Wo habe ich die Kraft des Kreuzes und der Auferstehung erfahren?
=> Vielleicht sollten wir lernen das zu bedenken und festzuhalten und mitzunehmen, wenn wir vor einschneidenden Veränderungen stehen! Wer war Jesus - für mich? Von dieser Frage herkönnen wir auf unsere Geschichte zurückschauen – und eben auch das mitnehmen, was von Jesus ist!
Dabei geht es mehr als um ein Leben aus der Erinnerung? Es geht um ein Leben mit den Jesusbegegnungen und -erfahrungen, und um ein Leben mit dem Geist Jesu, in einer mir noch unbekannten Lebenssituation
Und es ist ja mit Jesus nicht zu Ende gegangen ... das zeigt die Apostelgeschichte. Denn sie beschreibt, wie diese Geschichte weitergeht, die Geschichte des in die Welt hineinwirkenden Christus.
Die offene Situation aushalten (4-7)
„Und Jesus befahl ihnen Jerusalem nicht zu verlassen und zu warten auf die Verheißungen des Vaters... Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn... Herr wirst Du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich...? Und Jesus sprach: Es gebührt Euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt!“ (1,4.67)
Ich weiß nicht, wie es uns mit dieser Antwort Jesu geht. Wir wünschen und sehnen uns nach Veränderung … und dann muss man auch noch warten! Man könnte erste Schritte gehen und es kommt hier irgendwie eine Warteschleife. „Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen“. Ja wie denn? Etwas Neues soll werden und irgendwie passiert doch nichts. Da kann man nur ungeduldig werden, wo man doch endlich losgehen und ankommen oder auch etwas zufrieden abschließen möchte, durchaus im Sinne eines Doppelpunktes. Nein, Jesus mutet seinen Jüngern die „Warteschleife“ zu. Die Aufrichtung des Reiches Gottes wird erst abgeschlossen, wenn der Vater es will.
Irgendwie nachvollziehbar die Reaktion der Jünger. Aber, vielleicht ist das ja auch eine Chance, zu warten: Es gibt die Möglichkeiten zu sein, zu tun, zu machen, zu leben, zu genießen, zu verantworten, sich zu ärgern, sich zu freuen. Es gibt in dieser offenen Situation kreative Gestaltungsräume! Wir müssen nicht immer fertig sein, uns oder andere fertig machen. Es ist hilfreich keine hektische Betriebsamkeit ausbrechen zu lassen. Gott bietet diese Freiräume an!
Wir werden von Gott in diese Freiräume und Gestaltungsräume als Menschen mit hineingenommen. Und wir werden in dieser offenen Situation nicht allein gelassen.
Jesus mit mir: wo immer ich bin, was immer auch ist (1,8)
In dieser Schlüsselszene lesen wir den Schlüsselvers der Apostelgeschichte: 1, 8: „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde.
Zunächst: Es gibt keinen Ort auf dieser Welt, wo Gott nicht schon da ist oder hinkommen möchte. Das habe ich immer mit den Volontären durchbuchstabiert: Argentinien, Südafrika, Malawi, Mosambik, Kamerun, Sierra Leone und Spanien. Und er ist sogar hier, unter uns. Jesus verheißt seine – erfahrbare und zu spürende - Gegenwart bis zu den Ecken und Nischen dieser Welt. Ja, er ist schon da, bevor ich hinkomme.
Jesus ist mit mir, was immer auch ist. So unterschiedlich wir als Menschen sind, so sehr anders die Situationen ist, Menschen, Aufgaben und Herausforderungen, wenn wir es mit früher vergleichen: Gott ist da!
Und der Geist, von dem Jesus spricht, ist wie ein Geschenk (nicht erarbeitetes „Etwas“, was wir als Qualifikation mit Zertifikat aus jahrelanger Gemeindemitgliedschaft erhalten, gestempelt und mitnehmen können). Dieser Geist wird beschrieben mit dem Begriff der Dynamis: er ist „kraftvoll“, „dynamisch“, so dass wir das Leben so gestalten und verantworten, so handeln und reden können, dass es Jesus entspricht! Durch und im Geist Jesu. Schon in der Apostelgeschichte wird das sehr vielfältig und vielschichtig beschrieben, wie sich diese Kraft im Leben von Menschen ereignet, wie sie Orientierung und Wegweisung erlebt haben.
Wie Gott Menschen bewegt und begeistert, begleitet und leitet lernen wir an Beispielen in der Apostelgeschichte:
- Apg. 2,29-37 Predigt und “Betroffenheit”
- Apg. 11,27-30 Prophetie/Vorausschau bewahrt vor einer Hungersnot
- Apg. 13,1-3 Im Gebet: Gott/der Heilige Geist spricht “sondert mir aus...”
- Apg. 15,2.6f.36ff Konflikt / Gespräch / Verständigung
- Apg. 18,4-11 Ein Traum verdeutlicht, dass er bleiben soll.
- Apg. 16,6-10 Sie versuchen, einen Weg zu gehen, aber Gott/“der Heilige Geist verwehrt ihn“.
- Apg. 16,12b-15 Sie überlegten (und gingen dahin, wo sie eine Gebetsstätte vermuteten, und Gott machte etwas damit.)
Zusammenfassend können wir aus der Apostelgeschichte lernen: wenn Gott Menschen bewegt und begeistert, begleitet und leitet, dann...
1. durch den Heiligen Geist - unmittelbar - durch Gedanken - durch Impulse
2. als Reden Gottes - durch die Bibel - durch die Predigt
3. durch Personen - Ratschläge, Gespräche, Konflikte und Einigung
4. durch Umstände und Ereignisse - Türen gehen auf/zu
5. im Kontext des Gebetes
(-> Jesus ist mit mir und stärkt mich: wo immer ich bin, was immer auch ist)
Zeiten der Veränderung können Zeiten großer Chancen, unmittelbarer Gotteserfahrungen werden. Wenn das Alte nicht mehr ist, ist Neues möglich. Hermann Hesse, „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Und vielleicht ist es gut, dass sich " Antworten ändern", weil ich mich ändere, weil sich mein Leben ändert.
Wenn sich etwas ändert (dann macht uns dieser Text aus der Apostelgeschichte Mut):
Dann sollte ich den Blick zurück aufs Wesentliche lenken: Erfahrungen wo sich Jesus gezeigt hat. Das kann und sollte ich mitnehmen lernen.
Die offene Situation aushalten: Nicht immer schon alles kennen und können und fertig und perfekt sein zu müssen. Ich darf mein Leben gestalten lernen.
Wissen, Jesus stärkt mich: wo immer ich bin; was immer auch ist:
Amen