Geistliche Angebote

Andacht, Lieder und Fürbitten von Prädikant Hajo Fentz

 

 

Jesus Christus ist der Herr

 

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

in den 26 Gottesdiensten nach Trinitatis, in denen es ja keine christlichen Hochfeste gibt, sind wir Evangelischen angehalten, uns über die Grundlagen unseres Glaubens Gedanken zu machen. Heute soll es um unser Verhältnis zum Staat gehen: „gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört“, sagt Jesus.

Ein schwieriges Thema, und – ehrlich gesagt: Paulus macht es uns durch den heutigen Predigttext nicht gerade leichter. Dementsprechend dauern meine Gedanken dazu heute ausnahmsweise etwas länger. Aber sie sind interessant, finde ich: seien sie gespannt!

Was Gott gehört sagt uns der Wochenspruch aus dem ersten Brief des Apostels Paulus an Timotheus:

Er ist der König, der über alle Könige regiert, der Herr, der über allen Herren steht.
Er allein besitzt Unsterblichkeit. Ihm gebührt Ehre und ewige Macht.

Jesus Christus herrscht als König: es ist das bekannte Lied von der Königsherrschaft Jesu. Philipp Friedrich Hiller vollendete die 26 Strophen im August 1755. 11 davon finden sich in unserem Evangelischen Gesangbuch, 8 im Gesangbuch der Mennoniten, hier sind die Strophen 1, 3, 6 und 9.

 

Lied

Jesus Christus herrscht als König (EG 123, 1, 3, 6, 9)

https://www.youtube.com/watch?v=J9X6wGZeHLI&list=RDJ9X6wGZeHLI&start_radio=1&rv=J9X6wGZeHLI&t=0

1) Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alles legt ihm Gott zu Fuß.
Aller Zunge soll bekennen, Jesus sei der Herr zu nennen, dem man Ehre geben muss.

3) Gott ist Herr, der Herr ist Einer, und demselben gleichet keiner, nur der Sohn, der ist ihm gleich;
dessen Stuhl ist unumstößlich, dessen Leben unauflöslich, dessen Reich ein ewig Reich.

6) Jesus Christus ist der Eine, der gegründet die Gemeinde, die ihn ehrt als teures Haupt.
Er hat sie mit Blut erkaufet, mit dem Geiste sie getaufet, und sie lebet, weil sie glaubt.

9) Ihnen steht der Himmel offen, welcher über alles Hoffen, über alles Wünschen ist.
Die geheiligte Gemeinde weiß, dass eine Zeit erscheine, da sie ihren König grüßt.

 

Christuslied

Anstelle des Psalms habe ich das Christuslied aus Philipper 2 ausgewählt:

Jesus Christus ist der Herr

Er war von göttlicher Gestalt. Aber er hielt nicht daran fest, Gott gleich zu sein – so wie ein Dieb an seiner Beute. Er legte die göttliche Gestalt ab und nahm die eines Knechtes an.
Er wurde in allem den Menschen gleich. In jeder Hinsicht war er wie ein Mensch. Er erniedrigte sich selbst und war gehorsam bis in den Tod – ja, bis in den Tod am Kreuz.
Deshalb hat Gott ihn hoch erhöht: er hat ihm den Namen verliehen, der hoch über allen Namen steht.
Denn vor dem Namen Jesu soll sich jedes Knie beugen – im Himmel, auf der Erde und unter der Erde. Und jede Zunge soll bekennen:
„Jesus Christus ist der Herr!“

 

Gebet

Wir sind deine Kinder, Herr, befreite Menschen durch die Taufe.
Deshalb mach uns zu Hörern und Tätern deines Wortes.
Gib uns Mut und Unverzagtheit:
dass wir aufstehen und uns einmischen,
dass wir einander annehmen und deine Liebe verkünden und leben.
Gott, du setzt auf uns. Hab Dank dafür.

 

Evangelium

Matthäus 22, 15 – 22

Daraufhin kamen die Pharisäer zusammen. Sie überlegten, wie sie Jesus durch eine Frage in Bedrängnis bringen konnten. Sie schickten ihre Leute zu Jesus, zusammen mit einigen Anhängern des Herodes.
Die sagten zu ihm: „Lehrer, wir wissen: Dir geht es nur um die Wahrheit. Du lehrst uns aufrichtig, wie wir nach Gottes Willen leben sollen. Dabei fragst du nach keinem anderen, denn du siehst nicht die Person an. Sag uns bitte, was du für richtig hältst: ist es erlaubt, dem Kaiser Steuern zu zahlen oder nicht?“
Jesus durchschaute ihre Absicht und sagte: „Warum wollt ihr mich auf die Probe stellen, ihr Scheinheiligen? Zeigt mir eine Münze, mit der ihr die Steuern bezahlt!“ Sie gaben ihm eine Silbermünze. Jesus fragte sie: „Wer ist auf dem Bild zu sehen, und wer wird in der Inschrift genannt?“
Sie antworteten: „Der Kaiser.“
Da sagte Jesus zu ihnen: „Dann gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ Als sie das hörten, waren sie sehr erstaunt. Sie ließen Jesus in Ruhe und gingen weg.

Evangelium unseres Herrn Jesus Christus

 

Glaubensbekenntnis

mit dem Lied „Wir glauben, Gott ist in der Welt“ (Singt Jubilate, Nr. 48)

Wir glauben: Gott ist in der Welt, der Leben gibt und Treue hält.
Er fügt das All und trägt die Zeit, Erbarmen bis in Ewigkeit.

Wir glauben: Gott hat ihn erwählt, den Juden Jesus für die Welt.
Der schrie am Kreuz nach seinem Gott, der sich verbirgt in Not und Tod.

Wir glauben: Gottes Schöpfermacht hat Leben neu ans Licht gebracht,
denn alles was der Glaube sieht, spricht seine Sprache, singt sein Lied.

Wir glauben: Gott wirkt durch den Geist, was Jesu Taufe uns verheißt:
Umkehr aus der verwirkten Zeit und Trachten nach Gerechtigkeit.

Wenn unser Leben Antwort gibt, darauf, dass Gott die Welt geliebt,
wächst Gottes Volk in dieser Zeit und Weggenossen sind nicht weit.

Amen.

 

Gedanken zu Römer 13, 1-7

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus
und die Liebe Gottes
und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen.

Liebe Leserinnen und Leser,
„Jesus Christus ist der Herr!“ Ich beginne mit einigen geschichtlichen Schlaglichtern.

Freitag, 3. Februar 1933.
4 Tage nach der Machtergreifung Hitlers predigt der Kreuzberger Pfarrer und Reichsleiter der Glaubensbewegung Deutsche Christen, Pfarrer Joachim Hossenfelder, vor 2.500 Besucherinnen und Besuchern in der völlig überfüllten Marienkirche am Alexanderplatz über das Pauluswort: „Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unseren Herrn Jesus Christus“ (1. Kor. 15,57). Unter anderem sagt er:

„Christus macht Geschichte durch Männer, die er beruft. Immer hat er unserem deutschen Volke in der Not Männer geschenkt, die dem Volke wie eine wunderbare Sendung erschienen (…). In dieser Not (…) formte sich Gott einen Mann (…) und gab ihm die größte Sendung unserer Geschichte: das deutsche Volk aus der Verzweiflung zu reißen (…). Eine Millionen-Armee sammelt er um sich, die nur das eine von ihm wissen: dich hat uns Gott gesandt.“

In den darauffolgenden Wochen stürmt auch durch die Evangelische Kirche Berlins, Preußens und Deutschlands ein kollektiver Rausch: der sog. „nationale Aufbruch“ im Deutschen Reich führt zu einer völligen Kapitulation der evangelischen Amtskirche vor dem Hitler-Staat.

Der Generalsuperintendent der Kurmark, Pfarrer Otto Dibelius – er schloss sich erst in späteren Jahren der Bekennenden Kirche an und war nach dem Krieg von 1945 bis 1966 Bischof in Berlin – Otto Dibelius also setzt sich in den Kirchengremien beharrlich und erfolgreich dafür ein, dass St-Nicolai und die Garnisonskirche am 21. März 1933 repräsentative Schauplätze für den Staatsakt zur Parlamentseröffnung werden, dem sog. „Tag von Potsdam“. Kurz darauf dankt Dibelius in anderer Angelegenheit Hitler und Goebbels schriftlich dafür, dass sie den 1. Mai umgewidmet haben in den „Tag der nationalen Arbeit“.

Bei der letzten freien Wahl im Dritten Reich, nämlich der Wahl der evangelischen Gemeindekirchenräte, erreichen die Deutschen Christen in Berlin bis zu 75 % der GKR-Sitze – nur in den Gemeinden Jesus-Christus in Dahlem, in Nikolassee und in Nicolai in Mitte liegen sie knapp unter 50 %.

Bei der preußischen Generalsynode, der sog. braunen Synode, tragen 2/3 der Synodale Uniformen der SA und der NSDAP. Der Arierparagraph vom April 1933 wird kritiklos ins Kirchenrecht übernommen und gilt jetzt auch für Pfarrer und Kirchenbeamte. Alle einflussreichen Positionen sind innerhalb weniger Wochen von Deutschen Christen besetzt. Und der Berater Hitlers für Kirchenfragen, Ludwig Müller, wird auf der Nationalsynode in Wittenberg zum Reichsbischof ernannt.

Foto „Reichsbischof Ludwig Müller bei der Nationalsynode Wittenberg, Sept. 1933“:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d5/Bundesarchiv_Bild_183-H25547%2C_Wittenberg%2C_Nationalsynode.jpg

Als Reaktion auf diese Entwicklung organisieren sich parallel zu den Deutschen Christen mehrere tausend oppositionelle Kirchenfrauen und -männer im Pfarrernotbund und in der Bekennenden Kirche.

Deren Vordenker und Protagonisten sind:
der aus Bonn ins Baseler Exil vertriebene Theologieprofessor Karl Barth; der ab 1937 inhaftierte Martin Niemöller und Helmut Gollwitzer, der in der Dahlemer Gemeinde seinen Platz einnahm; Eitel-Friedrich von Rabenau, Pfarrer an der Schöneberger Apostel-Paulus-Gemeinde; Gerhard Jacobi, Pfarrer an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche; der Superintendent von Spandau und Lehrer für Neues Testament an der illegalen Kirchlichen Hochschule Martin Albertz; Pfarrer Kurt Scharf und Dietrich Bonhoeffer, der zunächst Privatdozent an der Friedrich-Wilhelm-Universität Unter den Linden ist, bevor er – nach einem kurzen Intermezzo als Auslandspfarrer in London – ab 1935 Leiter des – illegalen – preußischen Predigerseminars der Bekennenden Kirche wird.

Sonntag, 2. Juli 1933.
Der inzwischen von den Deutschen Christen beherrschte Oberkirchenrat ordnet für alle 147 Berliner Gemeinden einen festlichen Dankgottesdienst an: an allen Kirchen und Gemeindehäusern müssen die violette Kirchenfahne, die schwarz-weiß-rote Reichsflagge und die Hakenkreuzfahne gehisst werden. Nur wenige Gemeinden setzen sich zur Wehr und feiern stattdessen einen Buß- und Betgottesdienst, so z.B. auch Niemöllers Jesus-Christus-Kirche in Dahlem.
Wegen „gottesdienstlicher Unbotmäßigkeiten“ wird an jenem Tag Pfarrer Otto Großmann verhaftet – nach seinem Gottesdienst in der Steglitzer Markus-Gemeinde.

Und an genau diesem Sonntag hält Joachim Hossenfelder – inzwischen ist er „geistlicher Vizepräsident im Oberkirchenrat“ und damit oberster Repräsentant der Berliner Protestanten – in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Predigt über Römer 13, 1-7, also: genau über unseren heutigen Predigttext.

Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom:

„Jeder Mensch soll sich den staatlichen Behörden unterordnen. Denn es gibt keine staatliche Behörde, die nicht von Gott gegeben ist. Auch die jetzt bestehenden sind von Gott eingesetzt.

Das heißt: wer sich gegen die staatliche Ordnung auflehnt, lehnt sich damit gegen die Anordnung Gottes auf. Und wer das tut, wird zu Recht bestraft werden.

Wer Gutes tut, hat von den Amtsinhabern nichts zu befürchten. Das hat nur, wer Böses tut. Wenn du die Staatsgewalt nicht fürchten willst, musst du das Gute tun. Dann wirst du sogar Anerkennung bei ihr finden. Denn sie steht im Dienst Gottes, und das kommt dir zugute.

Wenn du aber Böses tust, dann fürchte dich. Denn sie trägt das Schwert nicht ohne Grund. Sie steht im Dienst Gottes und vollzieht seine Strafe an dem, der Böses tut.

Daher seid ihr verpflichtet, euch unterzuordnen. Nicht nur aus Angst vor Gottes Strafe, sondern auch, weil euer Gewissen das fordert. Deshalb zahlt ihr auch Steuern. Denn es sind ja eigentlich Beamte Gottes, die sie eintreiben müssen. Gebt also jedem, was ihr ihm schuldig seid: wem Steuern zustehen, dem zahlt Steuern. Wem Zoll zusteht, dem zahlt Zoll. Wem Achtung zusteht, dem erweist Achtung. Und wem Ehre zusteht, dem erweist Ehre.“

Es gibt keine staatliche Ordnung, die nicht von Gott gegeben ist. Daher seid ihr verpflichtet euch unterzuordnen!

Paulus schreibt seinen Brief im Winter 56/57 von Korinth aus. Im Jahr darauf wird er verhaftet. Wir wissen es nicht genau, aber offenbar bleibt er – obwohl er römischer Staatbürger ist – ohne Verfahren in Haft, zunächst in Jerusalem, später dann in Rom. Dort wird er – wahrscheinlich im Jahr 62 – enthauptet. Hätte Paulus den ihm rechtlich zustehenden Prozess bekommen, wäre er wohl freigesprochen worden, denn: wer nichts Böses tut, hat vom Staat ja nichts zu befürchten. Soviel dazu…

In meinem Urlaub in den vergangenen 2 Wochen war ich auf Kreta, u.a. bei einer Chorwoche, deren Sängerinnen und Sänger aus verschiedenen evangelischen deutschen Gemeinden in Griechenland kamen. Mit unserem begnadeten Chorleiter, einem freundlichen Ostwestfalen in meinem Alter, geriet ich in ein überraschend kontroverses Gespräch über eben diese Römerbriefstelle. Er fand sie nämlich völlig in Ordnung, bringe Paulus doch hier zum Ausdruck, dass alleine dem Staat das Gewaltmonopol zustehe.

Ich war so perplex, dass ich ihm in diesem Moment gar nichts Gescheites erwidern konnte, aber es brachte mich nochmal zu neuem Nachdenken, und ich schrieb meine Predigt zum x-ten Mal um.

Auch für mich ist völlig unstrittig, dass es allein der Polizei zusteht, Freiheit zu beschneiden oder Gewalt einzusetzen – in den vorgegebenen engen gesetzlichen Grenzen und ausschließlich da, wo es unabdingbar notwendig ist. In unserem deutschen Rechtsstaat ist das heute glücklicherweise gewährleistet. Doch das war nicht immer so. Bis zum Mai 1832: da versammelten sich zum allerersten Mal auf deutschem Boden ca. 30.000 Menschen – und zwar in meiner Heimatstadt Neustadt an der Weinstraße - und zogen gemeinsam zum Hambacher Schloss; sie forderten Freiheit der Meinungen, der Presse, des Zusammenkommens. Sie forderten Gleichberechtigung und das Ende des Gottesgnadentums der Herrschenden. Seit diesem Mai 1832 sind schwarz-rot-gold die Farben unserer Freiheit und Demokratie.

Paulus sieht das diametral anders: alle staatliche Ordnung ist von Gott gegeben. Basta. Für ihn undenkbar, dass es anders sein könnte – es war doch schon immer so. Und es bleibt auch noch lange so – in vielen Ländern bis zum heutigen Tage:

Monarchen aller Zeiten berufen sich bei ihrer Herrschaft auf die Gnade Gottes – und wahlweise sind sie auch schon mal Gott selber.

Tyrannen und Diktatoren aller Zeiten brauchen Gott überhaupt nicht mehr, sie schaffen sich ihre eigene Ideologie – die erfüllt denselben Zweck und kommt überdies auch noch ohne einen göttlich-moralischen Zeigefinger aus.

Hitler bemüht gerne die „Vorsehung“. Wir erinnern uns an Joachim Hossenfelder und seinen Jubelspruch: „dich hat uns Gott gesandt!“ Doch Hossenfelder, die Evangelische Kirche und die Millionen Protestantinnen und Protestanten, die Hitler bejubeln, sind ihm eher lästig – egal sind sie ihm sowieso. Goebbels allerdings jubelt, als „das Schwein“ Niemöller verhaftet ist. Und beide haben mit Gott eh nichts am Hut.

Ganz im Gegensatz übrigens zu Donald Trump: „Alle Amerikaner“, so sagte er in einem Interview kurz vor Ostern dieses Jahres, „brauchen eine Bibel zuhause, und ich habe viele. Sie ist mein Lieblingsbuch“. Er wünscht seinem Publikum bei dieser Gelegenheit eine „fröhliche Karwoche“ und kreiert gleichzeitig den Slogan: „Make America pray again“.

Ob sich Donald Trump künftig in die Reihe der Tyrannen einreihen wird oder nur als notorischer Lügner, Betrüger und Krimineller auf dem Präsidentenstuhl in die amerikanische Geschichte eingeht, kann sich am Dienstag entscheiden. Nach seinem Auftritt kürzlich im Madison Square Garden in New York – natürlich war es der Wahlkampfauftritt des Jahrhunderts – schreibt die "New York Times": "Donald Trump sagt, er will seine Feinde verfolgen, Massenabschiebungen anordnen, Soldaten gegen Bürger einsetzen, Alliierte aufgeben und Katastrophen politisch ausschlachten. Glauben Sie ihm."
Die Hälfte der Amerikanerinnen und Amerikaner – in der Mehrheit übrigens wiedergeborene Christen – glauben ihm, und es ist ihnen egal!

Offener und ehrlicher Austausch, Meinungsvielfalt, bunte Farbigkeit unter den Menschen, leben und leben lassen, schwarz-rot-gold sind gerade auf dem absteigenden Ast. Heute trägt man lieber schwarz-weiß, und das Bild vieler Menschen von dieser Welt und wie sie zu sein hat ist erschreckend einfach gestrickt, inzwischen ja auch bei uns.

Noch einmal zurück zu Paulus und der Obrigkeit von Gottes Gnaden:
Paulus bezeichnet sich ja selbst als Apostel von Gottes Gnaden. Und er will die Welt missionieren. Gleichzeitig ist er aber – und das vielleicht mit einem gewissen Verdruss – nicht alleine unterwegs im Auftrag des Herrn. Da gibt es zum Beispiel Petrus und den Jerusalemer Apostelkreis um Jakobus, den Bruder von Jesus. Beide sind übrigens richtige Apostel, die noch zum direkten Jüngerkreis Jesu zählen und die ihn persönlich kannten.

Und Petrus hat eine andere Meinung zum Obrigkeitsgehorsam: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“. Das sagt er vor dem Hohen Rat in Jerusalem, als der ihm und den anderen Jüngern einen Maulkorb verpassen will. Lukas hat uns das in der Apostelgeschichte aufgeschrieben (Apg. 5, 29).

Auch die Reformatoren halten es mehr mit Petrus als mit Paulus. Sie differenzieren: natürlich sind es Christinnen und Christen der Obrigkeit schuldig, „untertan und ihren Geboten und Gesetzen gehorsam zu sein“, aber – und jetzt kommt es – nur „in allem, was ohne Sünde geschehen kann. Wenn aber der Obrigkeit Gebot ohne Sünde nicht befolgt werden kann, soll man Gott mehr gehorchen als den Menschen." Da ist er wieder: der Satz des Petrus aus der Apostelgeschichte.

Liebe Leserinnen und Leser,
blicken wir – weiterhin oder ganz neu – wachsam auf unsere Welt und unsere Kirche – gemeinsam, mit offenen Augen und in christlicher Liebe. Wenn wir Unrecht sehen, dann machen wir den Mund auf, sagen als freie Christenmenschen unsere Meinung und legen Widerspruch ein.

Und wenn der Staat, wenn die Obrigkeit, von uns jemals wieder verlangen sollte, gegen Gott, gegen das Evangelium, gegen unsere christlichen Überzeugungen, gegen unser Gewissen zu handeln, dann bleibt es nicht beim Widerspruch, dann ist Widerstand nicht nur erlaubt, sondern geboten. Dann müssen wir „dem Rad selbst in die Speichen fallen“, wie Dietrich Bonhoeffer bereits im Frühjahr 1933 mahnt. Doch vor dieser Entscheidung und Seelenqual bewahre uns Gott hoffentlich auch weiterhin.

Unser Maßstab ist allein Jesus Christus. Er ist der Herr, und allein seiner Botschaft der Liebe sind wir verpflichtet. Denn: „man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen“.

Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.

 

Fürbittengebet

Gott unseres Lebens,
wir leben durch dich und deinen Segen.
Auf deine Barmherzigkeit hoffen wir.

Mit Furcht verfolgen wir die Nachrichten aus aller Welt.
Wir sehen, wie sich die Mächte bekriegen, in der Ukraine und im Nahen Osten und auf der ganzen Welt.
Wir sehen die Drohnen, Bomben und Raketen, die die Wehrlosen töten.
Wir hören von den Cyber-Angriffen, die ganze Länder lahmlegen.
Wir hören die Lügen, die von vielen nur allzu gerne geglaubt werden.
Wir denken an die Menschen in den USA und ihre Wahl am Dienstag und bitten, dass die Vernunft siegt.
Wir rufen: Herr, erbarme dich.

Mit Unruhe verfolgen wir die Nachrichten aus unserem Land.
Wir sehen, wie der Streit unsere Gesellschaft lähmt,
wie Tausende um ihre Arbeitsplätze bangen,
wie Angst vor Fremden die Herzen verhärtet und deine Gebote vergessen werden.
Gott des Lebens,
wir denken an die, die in unserem Land Verantwortung tragen und rufen:
Herr, erbarme dich.

Mit Sorge verfolgen wir das Leiden der Schöpfung,
wir wissen, dass die Wälder und Meere leiden,
dass Arten sterben,
dass Menschen und Tiere von Fluten getötet werden.
Wir denken an die Vorbereitungen zur UN-Klimakonferenz in Baku.
Wir rufen: Herr, erbarme dich.

Mit Hoffnung schauen wir auf deine Kirche und bitten für die Synoden in den kommenden Tagen.
Wir bitten für die vielen Geflüchteten in unseren Steglitzer Gemeinden, mit denen wir unsere Häuser und Kirchen teilen.
Wir bitten dich für unsere Konfirmandinnen und Konfirmanden hier in Johann-Sebastian-Bach. Schenke ihnen eine gute Gemeinschaft und sei bei ihnen, wenn sie am Wochenende auf ihre erste Fahrt nach Hirschluch gehen.
Wir rufen: Herr, erbarme dich.

Wir denken an die Kranken und Sterbenden.
Wir denken an die Trauernden, an die Müden und Verzweifelten.
Wir bringen die Menschen vor dich, um deren Leid wir persönlich wissen und nennen dir ihre Namen.

Gott unseres Lebens,
du bist unser Herr, unsere Hoffnung und Zukunft.
Belebe uns und deine Kirche, begegne uns mit Barmherzigkeit und Segen,
heute und morgen und alle Tage.
Amen.

 

Wir dürfen zu Gott Vater sagen und dabei auch daran denken, mit welcher Bedingungslosigkeit wir von unserer Mutter geliebt wurden. Und so wie Jesus damals gebetet hat, dürfen auch wir heute beten:

 

Vater Unser

Vater unser im Himmel
Geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.

 

Lied

Sonne der Gerechtigkeit (EG 262, 1, 4, 6, 7)

https://www.youtube.com/watch?v=lwTN1QW7mE4

1) Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit;
brich in deiner Kirche an, dass die Welt es sehen kann. Erbarm dich, Herr.

4) Tu der Völker Türen auf; deines Himmelreiches Lauf
hemme keine List noch Macht. Schaffe Licht in dunkler Nacht. Erbarm dich, Herr.

6) Lass uns deine Herrlichkeit sehen auch in dieser Zeit
und mit unsrer kleinen Kraft suchen was den Frieden schafft. Erbarm dich, Herr.

7) Lass uns eins sein, Jesus Christ, wie du mit dem Vater bist,
in dir bleiben allezeit, heute wie in Ewigkeit. Erbarm dich Herr.

 

Wir dürfen gewiss sein: wir sind von Gott gesegnet:

 

Segen

Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig.
Der Herr erhebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden.
Amen.

 

Eine gute Woche wünscht Ihnen Hajo Fentz

 

Informationen

Am nächsten Sonntag, 10.11.2024, feiern wir den Gottesdienst um 10:00 Uhr mit Lektorin Katja Tobolewski und Esther Kontarski an der Orgel.

Bereits am Samstag, dem 9. November um 17:00 Uhr, gibt es ein ganz besonderes Konzert anlässlich des 86. Jahrestages der Novemberpogrome: „Lebendige Synagogalmusik im progressiven Judentum“. Es singt die in Israel aufgewachsene jüdische Kantorin Svetlana Kundisch. Sie wird begleitet von Albrecht Gündel-vom Hofe am Klavier und Andreas Henze am Bass. Der Eintritt ist frei.

Am übernächsten Montag, 11. November, feiern wir wieder unser St. Martin-Fest.
Beginn ist um 16:30 Uhr mit einem Anspiel, danach folgen der Laternenumzug und die Feuerschale. Und es gibt auch Punsch!