Andacht, Lieder und Fürbitten von Pfarrer Oliver Matri
Der vergangene Sonntag war der letzte nach Epiphanias – heute ist der vierte Sonntag vor der Passionszeit. Wir sind also sozusagen auf der „Überfahrt“ von einer Zeit des Kirchenjahres in eine andere.
Um eine Überfahrt geht es auch in dem Evangeliumstext für den heutigen Sonntag, und zwar über den See Genezareth. Zwischen Weihnachten (Jesu Geburt) und Ostern (seinem Tod und seiner Auferstehung) betrachten wir dabei eine Szene aus Jesu Leben – und zwar nicht irgendeine, sondern die Stillung des Sturms!
Eingangslied: EG 279,1.3.7-8 Jauchzt, alle Lande, Gott zu ehren
Psalm 107, 1-2, 23-32
Danket dem Herrn; denn er ist freundlich,
und seine Güte währet ewiglich.
So sollen sagen, die erlöst sind durch den Herrn,
die er aus der Not erlöst hat,
Die mit Schiffen auf dem Meere fuhren
und trieben ihren Handel auf großen Wassern,
die des Herrn Werke erfahren haben
und seine Wunder im Meer,
wenn er sprach und einen Sturmwind erregte,
der die Wellen erhob,
und sie gen Himmel fuhren und in den Abgrund sanken,
dass ihre Seele vor Angst verzagte,
dass sie taumelten und wankten wie ein Trunkener
und wussten keinen Rat mehr,
die dann zum Herrn schrien in ihrer Not
und er führte sie aus ihren Ängsten
und stillte das Ungewitter,
dass die Wellen sich legten
und sie froh wurden, dass es still geworden war
und er sie zum ersehnten Hafen brachte:
Die sollen dem Herrn danken für seine Güte /
und für seine Wunder,
die er an den Menschenkindern tut,
und ihn in der Gemeinde preisen
und bei den Alten rühmen.
Gebet
Gott, wir kommen vor dich, so wie wir sind. Wir bringen vor dich die Momente der Freude in dieser Woche, und auch die schwierigen Momente. Die Momente, in denen wir verzagt waren, in denen wir uns von der Angst haben lähmen lassen. Und die Momente, in denen wir deine Güte aus den Augen verloren haben. Herr, erbarme dich.
Zuspruch
Beim Propheten Jesaja heißt es: Denn es sollen wohl Berge weichen und Hügel hinfallen, aber meine Gnade soll nicht von dir weichen, und der Bund meines Friedens soll nicht hinfallen, spricht der HERR, dein Erbarmer.
Gebet
Gott, du gebietest dem Sturm und schaffst Ruhe. Fege hinweg die Wolken des Zweifels und der Angst. Stärke uns mit dem Mut des Glaubens. Durch Jesus Christus, der uns durch alle Stürme begleitet und der mit dir, Vater, in der Einheit des Hl Geistes lebt und Leben schafft, jetzt und in Ewigkeit.
Amen.
Evangelium: Markus 4,35-41
Am Abend dieses Tages sagte Jesus zu seinen Jüngern: »Wir wollen ans andere Ufer fahren.« Sie ließen die Volksmenge zurück und fuhren mit dem Boot los, in dem er saß. Auch andere Boote fuhren mit. Da kam ein starker Sturm auf. Die Wellen schlugen ins Boot hinein, sodass es schon volllief. Jesus schlief hinten im Boot auf einem Kissen. Seine Jünger weckten ihn und riefen: »Lehrer! Macht es dir nichts aus, dass wir untergehen?« Jesus stand auf, bedrohte den Wind und sagte zum See: »Werde ruhig! Sei still!« Da legte sich der Wind, und es wurde ganz still. Jesus fragte die Jünger: »Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr immer noch keinen Glauben?« Aber die Jünger überkam große Furcht. Sie fragten sich: »Wer ist er eigentlich? Sogar der Wind und die Wellen gehorchen ihm!«
Lied: SJ 149 Stimme, die Stein zerbricht
Predigt zu Markus 4,35-41
Plötzlich war der Sturm da. Die Jünger hatten in Ruhe gerudert, hatten in Gedanken den Tag Revue passieren lassen – Jesus hatte ja so vieles gelehrt, da konnte man über manches noch einmal nachdenken. Und jetzt plötzlich dieses Unwetter. Peitschende Windböen. Immer höhere Wellen, die ins Boot hineinschwappen. Panik macht sich breit, Hilflosigkeit. Zweifel an Jesus, ihrem Lehrer – er hat sie doch schließlich aufgefordert, diese Überfahrt zu machen. Jetzt schläft er hinten im Boot. Hat es sich richtig gemütlich gemacht auf einem Kissen. Und reagiert nicht, obwohl das Boot schwankt, die Wellen dagegen klatschen, und der Wind braust und heult. Wie kann man denn da schlafen?
Schließlich wecken sie ihn, mit einer Mischung aus Angst und Vorwurf: „Macht es dir nichts aus, dass wir untergehen?“ Bist du denn komplett weltfremd? Oder bist du lebensmüde?
Jesus steht auf, befiehlt dem Wind und dem See, still zu sein – und es wird still, ganz still. Und jetzt stellt er die Fragen: „Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr immer noch keinen Glauben?“
Und die Jünger sind nicht etwa erleichtert, dass die Lebensgefahr vorbei ist – sie haben eher noch mehr Angst, nach dem, was sie gerade erlebt haben. Und sie fragen sich: Wer ist dieser Jesus? Wer ist dieser Mensch, dem Wind und Wellen gehorchen?
Einfach unglaublich ist das. So außergewöhnlich, dass die Jünger schockiert sind. Wahrscheinlich glaubten die Menschen in der Antike eher an Wunder als wir heute. Aber dass Jesus den Elementen befiehlt, dem Wind und den Wellen, und sie gehorchen – das war auch damals schon unglaublich. Wer das erlebte, fragte sich unweigerlich: wer ist dieser Jesus? Und auf diese Frage gab es eigentlich nur eine Antwort: Gott selbst.
Unsere Frage heute ist eher: Was ist, wenn wir Gott bitten, und es passiert nichts. Vielleicht rechnen wir auch längst nicht mehr damit, dass etwas passiert – je nachdem, welche Lebenserfahrungen und Glaubenserfahrungen wir gemacht haben.
Und das ist völlig verständlich! So oft haben wir zum Beispiel gebetet, dass Gott all das Unrecht in der Welt wegschaffen möge, und es ist immer noch da. (Dass das allerdings an uns Menschen liegt, das führt jetzt zu weit…) Oder wir haben gebetet, dass geliebte Menschen gesund würden, und sie sind nicht gesund geworden. Die meisten von uns können wahrscheinlich eigene Beispiele ergänzen, wo sie für etwas gebetet haben, und sie hatten den Eindruck: Es ist nichts passiert.
Die Jünger hatten aber das genau umgekehrte Problem: Was ist, wenn wir Gott bitten, und es passiert das – er befiehlt dem Meer und dem Sturm, und sie gehorchen.
Wie hätte ich reagiert, wenn ich dabei gewesen wäre? Mit Glaube? Furcht? Unglaube? Eine naheliegende Reaktion, wenn wir beten, und es passiert etwas, ist zu sagen: „Das war Zufall.“ Wirbelstürme über dem See Genezareth hören irgendwann auf – was, wenn der Sturm eben zufällig in dem Moment aufhörte, als Jesus das befahl?
Ich mag die Antwort, die ein früherer Erzbischof von Canterbury darauf gegeben hat, William Temple: „When I pray, coincidences happen. When I don’t, they don’t.“ Wenn ich bete, passieren Zufälle. Wenn nicht, dann nicht.
Mich führt dieser Evangeliumstext deshalb zu der existenziellen Frage des Glaubens: Glaube ich, dass Jesus – Gott ist? Dass Gott das Universum geschaffen hat und Autorität darüber hat? Und wenn ja, in welchem Verhältnis steht Gott zur Welt? Schläft er, gemütlich auf einem Kissen, wie Jesus im Boot? Oder ist Jesu Schlafen gar Sinnbild für seinen Tod – ist er vielleicht gar nicht auferstanden und lebendig, ist er mausetot und reagiert deshalb nicht? „Ist es dir egal, dass wir umkommen?“, fragen ihn die Jünger. Oder lässt er sich wecken und greift ein?
Schmerzhaft ist die Erfahrung, wenn wir den Eindruck haben, Gott schläft und greift nicht ein. Aber verwirrender ist es, wenn Gott es doch tut – wenn “Zufälle“ passieren und ich vor der Entscheidung stehe: Glaube ich, oder glaube ich nicht?
Vor einigen Jahren war ich verantwortlich für den Lebensmittel-Einkauf für eine Seminarwoche mit mehreren hundert Teilnehmern. Alle 2 oder 3 Tage kam eine große Lieferung mit tiefgekühlten Zutaten. Bei einer Lieferung merkte ich beim Einräumen, dass ich beim Bestellen einen Fehler gemacht hatte. Am nächsten Tag sollte es Cordon bleu geben, und ich hatte mehrere Dutzend Portionen zu wenig. Ich rechnete nochmal durch und stellte fest: uns fehlten 12,5kg! Ist Gott für sowas zuständig? Darf man für Cordon bleu beten? Ich hatte keine Zeit, lange über diese Fragen nachzudenken. Ich vertraute Gott einfach mein Problem an und überlegte schon, wie ich das Menü umstellen könnte, um alle versorgen zu können.
Am Abend jenes Tages kamen noch Lebensmittel-Spenden von einem großen Supermarkt an. Es war wie immer eine bunte Mischung, Obst, Gemüse, etwas Fleisch… aber diesmal war auch jede Menge Cordon bleu dabei! Ich zählte die Packungen, rechnete die Mengen zusammen… am Ende waren es genau 12,5kg! … Wer mag, kann das als Zufall sehen. Für mich war das die Art von Zufall, von der Erzbischof William Temple spricht.
(Das Beste: das gespendete Cordon bleu hatte verschiedene Geschmacksrichtungen, das gekaufte nur eine. Hinterher lobten die Teilnehmenden das Menü und einigte sagten, das sei ja besonders aufmerksam gewesen, dass es verschiedene Geschmacksrichtungen gegeben habe, für jeden Geschmack etwas…)
Im Evangelium lässt Jesus sich wecken und greift ein. Doch er gibt den Jüngern auch klar zu verstehen, dass er nicht begeistert ist. Sie bekommen deutliche Kritik zu hören: „Was seid ihr so furchtsam? Habt ihr noch keinen Glauben?“ Ich stelle mir vor, die Jünger haben den Mut, zurück zu fragen: „Jesus, was hätten wir denn sonst tun sollen?“ Gibt es denn auch einen Glauben, der trägt, selbst wenn Gott zu schlafen scheint? Wenn alles danach aussieht, dass Gott nicht reagiert?
Ja, sagt Jesus vielleicht, so einen Glauben gibt es. Er bedeutet: Vertrauen darauf, dass ihr nichts zu fürchten braucht, wenn ihr mich im Boot habt. Mit Jesus im Boot meines Lebens brauche ich mich nicht zu fürchten. – Wie könnte das aussehen?
Das griechische Wort, das im Evangelium die „Stille“ beschreibt, heißt Meeresstille, aber es heißt auch Seelenruhe. Auch wenn Gott zu schlafen scheint, wenn ich keine Antwort wahrnehmen kann, keine Meeresstille, und ich mich frage, wo das alles hinführen wird – auch dann kann ich trotzdem weiter vertrauen und darin Seelenruhe finden.
Solchen Glauben habe ich z.B. in Afrika erlebt, bei Menschen, deren Leben sehr viel härter und verlustreicher ist als unseres, und die trotzdem unerschütterlich glauben. Die nicht etwa in Passivität verfallen, nach dem Motto: „egal was passiert, mit Gott wird alles gut“. Sondern die couragiert ihr Leben meistern. Am stärksten hat diesen Glaubensmut die Mutter von Frère Roger, dem Gründer von Taizé, formuliert. Als sie schon sehr alt war, hat sie gesagt: „Ich habe keine Angst vor dem Tod. Ich weiß, an wen ich glaube.“
Im Angesicht eines „Sturms“ solchen Glauben zu haben, dass man keine Angst bekommt - das ist natürlich leichter gesagt als getan. Ob mein Glaube groß genug wäre? Vielleicht sollte ich ihn mal wieder öfter „begießen“, damit er wächst. Durch das Hören auf Glaubenserfahrungen – und durch das Weitererzählen eigener Glaubenserfahrungen. So wie Markus es tut, wenn er in seinem Evangelium all diese Geschichten von Jesus erzählt.
Furcht oder Glaube, Zufälle oder keine Zufälle, Meeresstille oder Sturm – doch was letztendlich zählt in all dem, ist doch: zu wissen, wer Jesus ist, wer Gott ist – ihn kennen zu lernen. Gottes Fürsorge, Gottes Menschenfreundlichkeit immer besser kennen zu lernen. Damit das Vertrauen wächst: Was auch immer geschieht, bei Gott bin ich letztendlich aufgehoben. Damit ich sagen kann: „Ich weiß, an wen ich glaube.“
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen.
Lied: EG 408, 1-4 Meinem Gott gehört die Welt
Fürbitten und Vaterunser
Gott, wir bitten dich für alle, die in den verschiedenen „Stürmen“ des Lebens in Seenot sind:
Zuerst für die, bei denen das buchstäblich der Fall ist – für die Menschen auf der Flucht über das Mittelmeer, und für alle, die ihnen zu helfen versuchen. Für die Situationen der Geflüchteten, und dafür, dass sie in diesem Wahlkampf wieder gesehen werden.
Wir bitten dich für den Nahen Osten, für Frieden und Verständigung, und für schnelle Hilfe für all diejenigen, denen es am Nötigsten fehlt: In Gaza, in Syrien. Wir bitten dich für die Geiseln, die noch immer auf Rettung warten.
Wir bitten dich für alle, denen das Gebet schwer fällt, und für alle, die nicht glauben können, dass du, Gott, da bist und sie erhörst. Für die, die am Leben verzweifeln. Beruhige die Stürme und schenke ihnen deinen Frieden.
Wir bitten dich für unser Gemeindeglied F.S., der diese Woche bestattet wurde. Nimm ihn gnädig bei dir auf. Wir vertrauen dir seine Familie und Freunde an, und alle, die um ihn trauern. Lass sie spüren, dass du sie trägst in dieser schweren Zeit, und stärke ihre Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat.
Wir beten mit den Worten, die Jesus uns gelehrt hat:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit.
Amen.
Lied: EG 171, 1.2.4 Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott
Segen
Der Herr segne dich und behüte dich,
der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig,
der Herr erhebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden.
Amen.
Bekanntmachungen:
Den Gottesdienst am nächsten Sonntag, feiern wir mit Pfarrerin Brigitte Schöne und Dr. Shin-Hyang Yun (Orgel).
Am nächsten Samstag, 15.02.25, 15 Uhr laden wir zur Kinderkirche ein.
Herzliche Einladung zum Akkordeonkonzert unter dem Titel "Zwischen den Tasten" mit Roman Stolbov am Sonntag, dem 16.02.25 um 18 Uhr.
Die Kollekten des letzten Gottesdienstes erbrachten folgende Ergebnisse:
Stolpersteine 101,74 Euro
Gemeindebus 77,10 Euro
Wir bedanken uns sehr herzlich.
Die heutige Kollekte wird in den Reihen für die Gefängnisseelsorge und die Wohnungslosenhilfe (je ½ ) gesammelt und am Ausgang erbitten wir eine Spende für Einrichtungen /Vereine in denen die Gemeinde Mitglied ist (Diakonisches Werk, Asyl in der Kirche, Alte Kirchen e.V. …).
Spendenkonto: IBAN: DE34 5206 0410 1803 9663 99
BIC: GENODEF1EK1
Kennwort: Kollekte 02.02.2025 (und gewünschter Verwendungszweck)
Wir leiten Ihre Kollekte ggf. weiter! Gern senden wir auch eine Spendenbescheinigung zu.